2006/07: Corinna Korth

2006/07: Corinna Korth

 

Corinna Korth hat mit Obsessivität und Leidenschaft dieses Projekt seit langer Zeit kontinuierlich weiterentwickelt. Dabei verschmelzen Künstlerexistenz und Kunstschaffen, Prozess und Ergebnis in eine nicht zu trennende Einheit.

 

Frau Corinna Korth wird am 25. November 2006 zur Wilhelm-Morgner-Stipendiatin 2006/2007 gewählt.

Die Künstlerin wird während des Aufenthalts in Soest ein Projekt weiterführen, bei dem sie die Rolle des Wolfes in Fiktion und Realität analysiert. Das Projekt ist zum einen selbstinszenatorisch angelegt – so wird die Künstlerin zu einem „Mischwesen“ aus Wolf und Mensch. Zum anderen stützt Corinna Korth ihr Projekt auf literatur- und naturwissenschaftliche, soziologische und mythologische Recherchen und entlehnt Modelle und Methoden aus den entsprechenden Disziplinen. Corinna Korth hat mit Obsessivität und Leidenschaft dieses Projekt seit langer Zeit kontinuierlich weiterentwickelt. Dabei verschmelzen Künstlerexistenz und Kunstschaffen, Prozess und Ergebnis in eine nicht zu trennende Einheit.

Corinna Korth will die Wölfe in Deutschland wieder einbürgern”, so das Deutschlandradio Kultur in einem Feature vor zehn Jahren. Das Doppeldeutige dieser zunächst etwas absurden Behauptung erschließt sich allerdings erst nach Kenntnis ihres Werks, ist doch die “Einbürgerung” eines canis lupus Gegenstand ihrer Diplomarbeit an der HfBK gewesen (2000). Dieses, nachzulesen in einem kleinen Katalog, geschah mit allem, wovon man heute allerorten hören kann: vorläufige Duldung, Sprachdiplom, Personenfeststellungsverfahren, sogar das Sparkassenbuch – bis hin zur Anstellung als Schafhirte. Folgerichtig gab Corinna Korth kurze Zeit später einen Ratgeber für “carnivore Mischwesen in der zivilisierten Welt” heraus (Jagen leicht gemacht, 2003).

Zunehmend bildmächtiger, technisch ausgefeilter mit größerem Organisationsaufwand und unter Einsatz ihrer Person in Performances, Filmen und Vorträgen befasste sie sich – in sarkastisch überhöhter Mimikri zum Wissenschaftsbetrieb unter Verwendung theatralischer Mittel – mit dem Thema des Mischwesens. Sie gründete das “Institut für Hybridforschung”, welches als Label für ihre künstlerische Arbeit bis heute steht.

Die Präzision und Konsequenz ihres grundsätzlichen Vorgehens dabei ließen einige den Wolf als das ungebrochene “alter Ego” der Künstlerin erscheinen – und dabei ihre Kritik an der “zivilisierten Welt” übersehen. Wie ich denke – ohne das jetzt zu überstrapazieren – hat sie uns mit ihren konzisen, prägnanten künstlerischen Setzungen die erst heute allgegenwärtigen Themenbereichen der multiplen Identitäten nahegebracht und bebildert, vielleicht schon kommentiert. Dass dieses bei allem inhärenten Humor einigermaßen kompromisslos vonstatten geht, versteht sich von selbst. In der Konsequenz zielt ihre Arbeit an der Schnittstelle von Mensch und Natur seit jüngstem auf die Pflanzenwelt – als Chimäre zwischen Baum und Mensch, wie Corinna Korth es kürzlich auf Kampnagel präsentierte.

Gelesen im KUNSTBEUTEL Hamburg